Die maschinelle Autotransfusion
Durch die maschinelle Autotransfusion (MAT) – das Auffangen, Waschen und Retransfundieren von patienteneigenem Wundblut – können starke Blutverluste in vielen Situationen „aufgefangen“ werden, wodurch sich der Bedarf an Fremdblutkonserven signifikant reduzieren lässt. Die MAT kann sowohl bei akuten intraoperativen Blutverlusten, als auch postoperativ zum „Recycling“ austretenden Drainagebluts genutzt werden und stellt besonders für Patienten, die eine schwierige Antikörperkonstellation / seltene Blutgruppe aufweisen oder Fremdblutprodukte aus religiösen Gründen ablehnen (u.A. Zeugen Jehovas) eine wichtige Maßnahme dar. Unter Beachtung potentieller Kontraindikationen (u.A. bakterielle Kontamination, Bakteriämie, akute systemisch Infektion) wird der Einsatz der MAT bei Eingriffen mit großem erwarteten Blutverlust und bei akuten intraoperativen Blutungen durch die Querschnitts-Leitlinien der Bundesärztekammer zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten empfohlen (Evidenzgrad: 1C+).
Funktionsweise
1. Auffangen des Wundbluts
Mittels Doppel-Lumen-Schlauch kann gleichzeitig ein Antikoagulanz zur Blutverdünnung in den Absauger eingebracht und das antikoagulierte Blut vom OP-Situs abgesaugt werden. Ein Einschwemmen größerer Partikel (z.B. Knochensplitter, Koagel oder Gewebereste) wird durch einen dem Reservoir vorgeschaltete Filter verhindert. Bei vielen Eingriffen genügt zunächst ein „Stand-By“-Sammeln, also das Bereitstellen von Reservoir, Sauger und Antikoagulanzlösung, ohne diese direkt mit dem MAT-Gerät zu verbinden. Wird primär von einem größeren Blutverlust, z.B. >500 ml, ausgegangen oder bestehen akute Blutungen, kann das System sofort vollständig aufgebaut und genutzt werden.
2. Separieren & Waschen des Wundbluts
Eine direkte Rückführung von ungewaschenem Wundblut ist mit hohen Risiken, u.A. für eine Gerinnungsaktivierung oder die Einschwemmung von Zytokinen, Endotoxinen sowie anderer biologisch aktiver Substanzen verbunden, sodass eine Aufbereitung vorgeschaltet werden muss. Dabei werden die Erythrozyten durch Zentrifugation und Zufügen einer Waschlösung von unerwünschten Blutkomponenten (u.A. freies Hämoglobin (Hb), Thrombozyten, Leukozyten, Heparin, prokoagulatorische und fibrinolytische Substanzen sowie Zytokinen) getrennt. Die Elimination von Fettbestandteilen kann durch den Einsatz bestimmter Filter oder Waschprogramme optimiert werden. Für stehen unterschiedliche Systeme zu Verfügung:
- Latham-Glocke: Hier wird ein Teil des im Reservoir gesammelten Wundbluts zunächst in ein glockenähnliches Gefäß gepumpt, in welchem sich die schwereren Erythrozyten durch Rotation an der äußeren Gefäßwand sammeln, während unerwünschte Blutkomponenten sowie weitere Stoffe aufgrund ihres geringeren Gewichtes durch das Zellsediment und die konisch sich nach oben hin verjüngende Form aufwärts wandern und ausfließen. Überschreitet das Zellsediment eine bestimmte Füllhöhe, wird der Waschvorgang eingeleitet, in dem eine Waschlösung (0,9% Kochsalzlösung) in die Glocke gepumpt wird, die noch übriggebliebene Reste unerwünschter Fremdkörper aufnimmt und abtransportiert. Die Separation mittels Latham-Glocke ist ein diskontinuierlicher Prozess, wobei die Glocke beliebig oft gefüllt werden kann.
- Variable volume disk (dynamic disk): Die Aufbereitung mittels „dynamic disk“ ähnelt in ihrer Funktionsweise der Latham-Glocke und ist ebenfalls diskontinuierlich. Hier befindet sich im Inneren einer rotierenden Scheibe ein elastisches Diaphragma aus Silikon, welches seine Form durch das angelegte Vakuum dynamisch der äußeren Form anpasst. Die „dynamic disk“-Methode ist besonders zur Rückgewinnung langsamer Blutverluste über einen längeren Zeitraum, etwa bei postoperativen Drainagen nach orthopädischen Eingriffen, geeignet.
- Continuous autotransfusion system (CATS): Ein kontinuierliches System, dessen Funktion auf einer doppelten, spiralförmig angeordneten, rotierenden Zentrifugationskammer basiert. Nach initialer Füllung fließen bei jedem weiteren Zufluss von Wundblut, gewaschene Erythrozyten und Verwurf getrennt ab. Das System arbeitet volumenunabhängig und erlaubt dadurch bereits bei kleineren Blutverlusten eine kontinuierliche Aufarbeitung des Wundbluts.
3. Retransfundieren des gewaschenen Wundbluts
Die Retransfusion der gewaschenen Erythrozyten erfolgt in einer Suspension mit Kochsalzlösung. Da im Vergleich zur Fremdbluttransfusion bei der Rückführung von autologem Blut ein völlig anderes Nutzen-Risiko-Verhältnis besteht, muss keine restriktive Transfusionsstrategie Anwendung finden, sodass bei sicherem Ausschluss möglicher Kontraindikatoren das aufbereitete Wundblut unabhängig der Hb-Konzentration zurückgeführt werden kann.
Maßnahmen zur Qualitätssicherung
Mit der Novellierung der Richtlinie Hämotherapie durch die Bundesärztekammer im Jahr 2017 wurden die Maßnahmen zur Qualitätssicherung beim Einsatz der maschinellen Autotransfusion verstärkt. Nachfolgend finden Sie eine Übersicht über die geforderten Punkte und Hinweise sowie Hilfestellungen und Tipps wie diese zu erfüllen sind.
1. Kennzeichnung der mittels MAT hergestellten Blutpräparationen
Die mittels MAT hergestellten Blutpräparationen sind mit Name, Vorname und Geburtsdatum des Patienten sowie Datum und Uhrzeit des Beginns der Sammlung zu kennzeichnen.
2. Lagerung
Die mittels MAT gewonnenen Blutpräparationen sind nicht lagerungsfähig und müssen grundsätzlich innerhalb von 6 Stunden nach Beginn der Sammlung retransfundiert werden.
3. Protokollierung jeder MAT
Bei jeder MAT müssen Patientendaten, der verantwortliche Arzt, Beginn und Ende, Typ und Nummer des eingesetzten Gerätes, Chargennummer des Aufbereitungs- und Transfusionssystems, Volumen des Sammelblutes sowie Volumen und Hämatokrit des aufbereiteten Blutes protokolliert werden. Eine Vorlage für ein solches Protokoll steht hier bereit.
4. Überprüfung von Prozess- und Produktqualität
Die leitende ärztliche Person i. S. v. § 4 S: 1 Nr. 2 TFG überprüft min. vierteljährlich die Prozess- und Produktqualität anhand der Herstellungsprotokolle sowie der dokumentierten Ergebnisse und Qualitätskontrollen und leitet bei Abweichungen Korrekturmaßnahmen ein, deren Wirksamkeit sie dokumentiert überwacht.
5. Erlaubnisfreie Anwendung
Die erlaubnisfreie Gewinnung, Herstellung sowie Retransfusion sind nur zulässig, soweit die MAT unter der unmittelbaren fachlichen Verantwortung des anwendenden Arztes zum Zwecke der persönlichen Anwendung durch diesen bei einem bestimmten Patienten hergestellt wird (§ 13 Abs. 2b AMG). Die Herstellung ist nach § 67 Abs. 1 AMG der zuständigen Landesbehörde vor Aufnahme der Tätigkeit anzuzeigen. Eine Übersicht über die zuständigen Behörden gibt es hier.
Bei tumorchirurgischen Eingriffen empfiehlt die Bundesärztekammer eine Bestrahlung des autologen gewaschenen Erythrozytenkonzentrats mit ionisierten Strahlen in einer Dosis von 50Gy, um die Proliferation kontaminierter Tumorzellen zu vermeiden. Hier ist zu beachten, dass wenn Herstellung und anschließende Bestrahlung nicht in Personalunion geschehen, eine Herstellungserlaubnis gemäß § 13 AMG erforderlich ist. Weitere Informationen hierzu bietet auch eine Stellungnahme des Arbeitskreises Blut des Bundesministeriums für Gesundheit von 2014, die hier eingesehen werden kann.
6. Qualitätskontrolle
Bei mindestens 5% aller Einsätze, mindestens jedoch einmal pro Monat und Gerät sind Hämatokrit (Sollwert >50%) am aufbereiteten Präparat und die Eliminationsrate von Gesamteiweiß oder Albumin (Sollwert >90% des Ausgangswertes) als Qualitätskontrolle zu bestimmen.
Viele moderne Geräte bestimmen den Hämatokrit des aufbereiteten Präparats bereits automatisch, sodass dieser nur noch abzulesen ist. Bei älteren Geräten muss ggf. per Mini Spike das zur Bestimmung im Labor benötigte Volumen aus dem Retransfusionsbeutel entnommen werden.
Zur Bestimmung der Gesamteiweißelimination müssen Eiweißgehalt des unaufbereiteten Wundbluts im Reservoir und des aufbereiteten autologen Erythrozytenkonzentrates bestimmt werden. Zur sterilen Abnahme des unaufbereiteten Wundbluts bieten verschiedene Hersteller bereits Sets (Beispiel), die zwischen Reservoir und MAT-Gerät geschaltet werden und mittels Drei-Wege-Hahn eine einfache Probennahme ermöglichen. Dabei ist zu beachten, dass die Probenahme nicht während der Blutungsphase und aufgrund Sedimentbildung nicht während dem ersten Lauf der ersten Glocke erfolgen sollte. Grundsätzliche sollte das Reservoir vor Probennahme geschwenkt werden. Ist keine sterile Entnahme möglich, verweist die BÄK auf die Möglichkeit den Eiweißgehalt des Patientenbluts heranzuziehen, wobei dies jedoch in Absprache mit der jeweils zuständigen Aufsichtsbehörde geschehen sollte. Vor der Probennahme aus den Retransfusionsbeutel per Mini-Spike sollte auch dieser vorsichtig durchmischt werden. Die Qualitätskontrolle sollte, wenn möglich, im Vorhinein geplant werden, z.B. durch Hinweis im OP-Plan. Zusätzlich sollten zuständige Mitarbeiter unbedingt benannt werden. Eine bebilderte Anleitung zur Probennahme für Geräte von LivaNova ist hier einzusehen.
Die Gesamteiweißelimination errechnet sich nach der Formel
und kann über die nachstehende Maske berechnet werden. Eine Excel-Tabelle zur Berechnung ist hier herunterzuladen.
Wir danken LivaNova für die zur Verfügung gestellten Informationen und Protokolle.